Freitag, Juni 05, 2009

konzert: alela diane, 04.06.09

hinsichtlich der wandlung eines künstlers bin ich stets offen. sich neu erfinden, wagnisse eingehen, gut, experimente sind gar erwünscht und mit resultaten jeglicher natur gehe ich milde um. solcherart prozesse vermeiden stillstand und fördern die kreativiät, schulen die sensibilität und wirken unmittelbar auf die wahrnehmung des rezipienten.
wenn der mut, wie bei alela neuerdings nur dem optischen gilt und sich in einer musikalischen umsetzung, die durch unkonzentriertheit und fehlende präzision auffällt, niederschlägt, ist berechtigte kritik am platz. nun hat das eine mit dem anderen nur mittelbar zu tun, aber die wandlung ist präsent und die wirkung die selbe, niederschlagend. die gestutzen haaren unterstreichen strenge und leisten dem mangel an spontanität und kommunikation vorschub, der in früheren konzerten ausgeglichen wurde durch außerordentliche disziplin und anspannung. gerade diese schien alela diane während des gut 1 ¼ stündigen konzerts immer wieder zu suchen. doch der einflüsse gab es zu viele, die ihrem vorhaben zuwider liefen. sei es vater tom menig, der sich bös verspielte, sei es basser tom bevitori, der wiederholt alberte und mit jokes das publikum aufheiterte, sei es drummer benjamin oak goodman, der über das ende des songs hinaus trommelte oder sei es gar alela selbst, die sich textunsicher zeigte. im einzelnen vernachlässigbar, in der gesamtheit auffallend und rückführbar auf eine neue ordnung im konzertgefüge dianes, das chaos produziert. schürte noch der gemeinsame beginn von alela diane und alina hardin zu anfang des programms die hoffnung, dass (erneut) ein atemberaubendes erlebnis bevorstand, konterte die schrittweise hinzunahme weiterer musiker die flirrende atmosphäre und nahm den rausch durch professionelles, aber leidenschaftsloses spiel.

wenn man zugute hält, dass alina hardin wie gewohnt hingebungsvoll hauchte und dass tom menig durchaus akzente zu setzen wusste, indem er an mandoline, akustischer oder e-gitarre agierte, hier und da einen lauf vom stapel ließ, blieben doch der rest der mannschaft in konvention verhaftet und ganz dem regime alelas untergeordnet. der jedoch, wie bereits angedeutet, fehlten die mittel, die truppe so beieinander zu halten, dass sie zu einer sinnvollen, weil genauso ausmalenden wie förderlichen ergänzung ihrer ohnehin überzeugend funktionierenden musik wurden. hier liegt wohl der hase im pfeffer. in der reduktion lag bisher dianes stärke. sie war der widerhall ihres wesens, ihrer empfindsamkeit, ihrer ungleichen festigkeit, an der sich der zuhörer kaum messen konnte. diese art panzerung, ein schutz vor entwaffnung, ging verloren und der verlust der langen haare ist dafür synonym und symbol zugleich.
meine enttäuschungen wurden freilich wenigstens teilweise aufgehoben durch den zuweilen glänzenden stimmlichen vortrag der sängerin aus nevada city. da war es wieder das aufsteigen, das segensreiche entweichen, die spuren des überirdischen im verstiegenen, das uns erbarmungswürdig zurücklässt. in ihrem gesicht verdinglicht sich das sein als göttliches programm, vollkommenheit als unbrauchbares wort karikierend.
ich wollte, dass alela sich ihrer besinnt und zurückgekehrt zu etwas weniger folkloristischen und höfischen auftritten. in starre verharrend ist sie mir tausendmal lieber, als dass sie müde ihre noch müder scheinenden kollegen dirigiert und sich als frontfrau entkräftet.
die setlist kann man gut bei den kollegen vom konzerttagebuch abschreiben, die die truppe an den beiden tagen zuvor ebenfalls gesehen haben, sie gleicht wie ein ei dem anderen. auch ein manko? zumindest hätte es der veranstaltung halt, struktur verleihen können. da half auch nicht die choreografie der auf und ab gehenden musiker. gestalterische elemente zielen bei alela dianes kunst offenbar immer vorbei.
wer motorrad fährt, der kennt das. unter seinem helm eingeschlossen kann man prima selbstgespräche führen. kriegt ja keiner mit. noch besser allerdings ist es zu singen. das tat ich denn auch auf der rückfahrt. laut und übermütig. denn was an mir haften blieb, und irgendwie stimmte mich das noch versöhnlich, sind die wunderbaren songs der derzeit nicht nur der haare, sondern teilweise auch der magie beraubten alela diane.

8 Kommentare:

Thorsten hat gesagt…

Sehr schade, Eike. Die Tendenzen waren natürlich auch in Hamburg schon abzusehen, das Abirren ins allzu routinierte. Dennoch stimmte da das Zusammenspiel der Band, es gab kleine Jampassagen, die Spontaneität anzeigten. Aber freilich ist einiges verloren gegangen mit dem Mangel an Kommunikation mit dem Publikum, die das Konzert im letzten Jahr in Hamburg für mich auszeichnete, als Alela und Mariee Sioux zu zweit tourten. Als das Publikum ihr noch Stücke zurief und sie sie einfach ins Konzertprogramm aufnahm. Diese neue Distanziertheit nimmt dem Auftritt Alelas eh schon etwas von der Wirkung und wenn alles dann noch allzu routiniert und leidenschaftslos wirkt... Ich bin schuldbewußt, nicht für die Cats on Fire plädiert zu haben...

E. hat gesagt…

na, ich sag dir. die cats hätten meinem gestrigen temperament besser entsprochen. aber ich hätte mich vermutlich schwarz geärgert, alela verpasst zu haben. das ist die krux.

Oliver Peel hat gesagt…

Vielleicht war Deine Erwartungshaltung zu hoch, Eike. Das neue Album hast Du mit 4 1/2 Sternen dekoriert, während ich es nur bei 3 1/2 sehe und insofern möglicherweise nüchterner an die Sache rangegangen bin. Außerdem muß man sicherlich berücksichtigen, daß Paris ein Highlight war, für das extra die Mutter und Großmutter angereist sind. Das war sozusagen ihr Grand Slam Turnier, ihr Roland Garros. Die Matches danach bei kleineren Turnieren sind dann immer entsprechend schwierig. Und Matt Bauer fehlte doch sicherlich auch, oder nicht?

E. hat gesagt…

matt fehlte an allen ecken und enden. er hätte dem unternehmen sicher noch eine feine note verliehen.
den vergleich mit tennisturnieren kann ich aber nicht gelten lassen. bei einer einstündigen anreise und 20€ eintritt verlange ich die gleiche leistung, gleich ob großmutter oder sonstwer im laden ist.

Oliver Peel hat gesagt…

Seit ihr in Deutschland verwöhnt! In Paris musste man 29 €,70 berappen. Das ist ein Aufschlag von fast 50 Prozent!

teller knete hat gesagt…

Waah, die zurechtgestutzte Alela Diane ist ja optisch definitiv ein Schritt zurück!! Ansonsten kann ich Thorsten nur recht geben (ohne das erste Hamburger Konzert gesehen zu haben): Anzeichen waren bereits da, nun ist der Faden wohl (vorerst? hoffentlich) verloren gegangen. Die Dame braucht eine Pause. Ich plädiere dafür, dass sie mit den Jungs von den Felice Brothers (obwohl die keine Pause brauchen) für einen Monat und mit einer Kiste Whiskey in die Catskill Mountains geht und dort in einer kleinen Blockhütte Holz hackt und Dinge tut, die man eben so in der Einsamkeit der Catskill Mountains macht. Oder mit den Herren von Port O'Brien auf einen Fischkutter. Ein Zimmer in Orion Town.... Jedenfalls war eine deutliche Abspannung in Hamburg bemerkbar. und offensichtlich konnte sie den Akku bisher nicht aufladen.

Thorsten hat gesagt…

Jungs, ich find die neue Frisur ja gar nicht so schlecht. Alela wirkt zwar ein bißchen strenger als zuvor, aber das hat auch was, muß ich sagen... Ich muß mich Dennis aber anschließen, was den Eindruck der Zerrissenheit beim Gespräch mit Alela in Hamburg betrifft. Einerseits war da schon eine Freude und ein nach wie vor präsentes Erstaunen über ihre große Popularität in Europa zu bemerken, zugleich sprach sie aber auch von der Sehnsucht, sich ein wenig in ihrem neu eingerichteten Heim einzuleben, ein wenig zur Ruhe zu kommen. Sie wäre ihr zu gönnen, die Pause und das Finden einer gesunden Ausgewogenheit.

Mir macht aber ebenfalls das allgemein spürbare Sich-Distanzieren der alten Fanbasis von Alela Sorge. Der Wunsch nach mehr Kommunikation, mehr Nahbarkeit, mehr Spontaneität ist verständlich, aber in den neuen Konzertgegebenheiten auch viel schwerer umzusetzen, als noch in den kleinen Clubs der letzten Tour, wo sich all das quasi zwangsläufig ergab. Die Gratwanderung zwischen Professionalität und trotzdem beibehaltener Natürlichkeit und Unmittelbarkeit ist schwierig und will auch erstmal angeeignet werden. Alela ist da nicht zu beneiden, weil sie letztlich sehr viele Ansprüche zu erfüllen hat und sehr viel in sie hineinprojiziert wird, zugleich muß sie aber auch für sich eine Ballance finden zwischen dem Superstarstatus in Europa und dem Wunsch nach Ruhe. Daß das ein oder andere Konzert auch mal darunter leidet, ist denke ich selbstverständlich. In diesen neuen Status muß man auch erstmal hineinwachsen, muß verarbeiten können, lernen, mit den eigenen Kräfteresourcen zu haushalten.

Ich schließe mich Oliver an: Die Erwartungshaltung, die man an Alela hat, ist schon sehr hoch. Ich bin gespannt, wie die nächsten Konzerte sein werden von vergleichbaren Künstlern wie Justin Vernon, den Fleet Foxes, die alle einen ebenso starken Schub in der Popularität hinter sich haben. Auch da wird auf den Konzerten sicherlich ein größeres Maß an routiniertem Durchgeplantsein spürbar sein, als noch auf den letzten Touren.

isa oder becky oder beide hat gesagt…

hmm, also mir gefielt das Konzert alles in allem sehr gut. Den Punkt mir dem verspielen und unkonzentriert sein muss ich aber bestätigen. Trotzdem fand ich das Konzert sehr schön und auch ausgelassen + super Publikum.
Matt Bauer hätte ich natürlich trotzdem super gerne mit auf der Bühne gesehen, aber man kann ja nicht alles haben!