Sonntag, Oktober 02, 2011

neue töne (1045): thunderegg

wenn man immer wieder das besondere herausposaunt wissen will, ist für das delikate kaum noch platz. doch räumt ein wenig zusammen, schafft freiheit für eine band, die Euch fordern wird, sowohl hinsichtlich des ausmaßes an zur verfügung zu stellender fläche (tonträger!) als auch in ideeler hinsicht: thunderegg. sie haben mich überrollt, übermannt, fast mit der ersten note überzeugt. einige takte im netz, später das 15. album auf einer nächtlichen heimfahrt. immer wieder eine besondere situation, wenn die sonne verschwindet, ihren besonderen glanz hinterlässt und eine zur stimmung passende musik für emotionale ergänzung sorgt. ich hatte dergestalt einige bewegende momente. zum beispiel meine erste fahrt auf die alpen zu, im cd player lief damals das recht frisch veröffentlichte "graceland", eine offenbarung für mich, zu dieser zeit, an diesem ort. das wuchtige sonnenrot, das seine entwürfe an die berge zwang. irre dazu die fremdländische und zugleich vertraute musik.
denkbar anders vor einigen tagen, als ich thunderegg erstmalig wirklich wahrnahm. mit "line line" lief ein jüngst veröffentlichtes album, das mich sofort begeisterte, das sich aber weder von der abendlichen atmosphäre, noch von mir präferierter tonaler kunst großartig abhob. im gegenteil bediente es meine vorlieben und schaffte so eine zugewandtheit der besonderen art. lofi rock mit pop attitüde, mit folkigem einschlag und ansätzen zu space und indiependent. doch was sich so locker runterschreiben lässt, geht auch so flockig ins ohr. denn dieser melodienreichtum, der einschluss mehrerer gängiger harmonien pro song ist atemberaubend, geradezu unwahrscheinlich. während sich die grundthemen schlüssig hergeben, wird im hintergrund gezaubert, was das instrument (autoharp, dulcimer, horn, piano, pedal steel) so hergibt. vertrautheit schaffend und zugleich aufmerksamkeit heischend, das ist die große kunst. den hörer binden und ihm aufgaben mitgeben, die lieder zu ergründen, ihrer herr zu werden. verstecktes, feinheiten, graduierungen, ornamentierungen, blitzwerk. hinzu gesellt sich die stimme des frontmannes und projektgründers will georgantas, ein zugängliches, wie munteres organ, das sich dem limit widersetzt. so entsteht eine musik, die immer wieder an der selbstverständlichkeit schrammt, zu eingängig zu sein, an der schamlosigkeit, mit der der schlager von seinen hörern angenommen wird, an der offenbarungsqualität von relegiösen schriften, am kitsch gar. doch die waage wird gehalten, keine sorge. zumindest für "line line" lege ich schon mal meine hand ins feuer, mit dem restlichen oeuvre, dieser seit ca. 1995 bestehenden band beschäftige ich mich nun garantiert ausgiebiger.

will georgantas erschuf thunderegg mit ersten aufnahmen, die er daheim auf einen tascam rekorder bannte. zur jahrtausendwende hatte er bereits sieben alben beieinander, jedes neue immer etwas ausgefeilter als das vorherige. 2005 startete der musiker aus connecticut eine unternehmung, bei der er jede woche einen neuen song aufnahm und auf der bandwebseite veröffentlichte. ein jahr später brachte will schließlich ein kompendium der besonderen art heraus, die 231 songs fassende anthologie "open book" inkl. lyrics bezog einen großteil seiner bis dahin geleisteten arbeit mit ein. das kritikerlob war ihm sicher. zu dieser zeit entschloss sich will, das nächste album mit einer band einzuspielen. zu sechst richtete man sich in den sound music studios in richmond ein und brachte mit hilfe von alan weatherhead, der u.a. für den sparklehorse sound (auch hotel lights oder jason molina hatte er in der mache) verantwortlich zeichnete, die bis dahin besten songs thundereggs auf band. doch satte vier jahre blieben sie unveröffentlicht, die gründe hierfür, so will, würden ganze seiten füllen. doch am 13. september erschien "line line" und kann in seiner formvollendung endlich genossen werden. der wunderbar euphorisch stimmende opener "the scheduled show" etwa mit bläsersatz und "ahh"- harmoniegesang, schwindelnder e-gitarre und klingklong klavier im background oder das sich gemächlich anbietende "long way from home" mit slide und echo und allem drum und dran, um sich verbindlich in die gehörgänge schleichen zu dürfen, inklusive nachfolgender aufräumarbeiten in selbigen. als single fungiert das melodisch auf ausgestreckter höhe befindliche "glass of water", eine belämmernde erinnerung an die letzte nacht. schon "your pretty little angels" packt wieder die beziehungskiste an und hebt sich daran..., einen bruch? das spinett, das frohlockende drumming, die keyboardverdichtung und der feine gesang wills: "your pretty little angels". ganz zu schweigen vom seelenglockenden "it's not me (it's her)". oder vom forcierten "i died today (for just a minute)", einem punkrock, an dessen klassischer struktur kein makel zu finden ist. das beschwingt, beautiful southsche "if you knew me so well", das lagerfeuermentale "a poem and a mirror", das narrativ orientierte "skeletons" mit groove, samples und bläsern. schließlich das ungeschliffene the crests cover "sweetest one". ein rundes album, eines, wie es mich jedes jahr neuerlich erwischt, mal heypenny, dann liz durrett, mal out like lambs, dann scott matthew. nun thunderegg?
ein hammer, ein wahnsinn, bis hierhin noch nichts von dieser band gehört zu haben. es gibt einiges nachzuholen. für dich, für mich, für alle.

glass of water by thunderegg

long way from home by thunderegg

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